Schottland - MIT E-BIKE UND ZELT - SOMMER 2022
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Durch die schottischen Lowlands

Tag 4 - weiter nach Westen - 12. August 2022

Gestern Abend haben sich zwei ältere Herrschaften zu mir gesetzt und mir so manches erzählt. In einer merkwürdigen Sprache, die ausschließlich im Kehlkopf Geräusche erzeugt. Ich wusste gar nicht, wie ich aus dieser Nummer wieder herauskommen. Irgendwann kam die Camping Wirtin dazu und hat übersetzt. Das kann ja heiter werden, denn nur mit empathischen Nicken kommt dann doch die beste Konversation irgendwann ins Stocken.

Nachts war es wieder richtig kalt und morgens tropft der Tau vom Zeltdach herunter. Ich glaube, das deutet auf eine stabile Wetterlage hin. Der dritte Tag in Schottland und noch ist keine einzige Wolke am Himmel. Die Luft ist völlig klar und das Sonnenlicht ist ziemlich hart. Es gibt kein Abendrot und keine Morgendämmerung. Einfach nur hell und dunkel.
Bei meinem ersten Rastpunkt heute Morgen hat eine Dame mich angesprochen und mir einige Tipps für meine Route gegeben. Sie erzählte noch, dass im Mai und Juni die Sonne überhaupt nicht heraus gekommen ist. Ich habe sie tadellos verstanden und dann hat sie mich noch für mein Englisch gelobt.
Frauen kann ich einfach gut verstehen.
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Carelaverock ist eines der bekanntesten Burgen in Schottland. Leider kann man es nicht besichtigen wegen Instandsetzung. Das ist wohl momentan bei fast allen Castle und Abbeys so, dass sie gesperrt sind. Das wird wohl Jahre dauern, wenn man alle gleichzeitig aufhübschen will. Wie bei uns mit den Wärmepumpen. Gibt's halt nicht genug Personal, die das können.
Jetzt, das Castle kann man nur von Ferne anschauen. Oder von oben, wenn man so ein Flugding dabei hat. Habe mich dazu in einen hinteren Winkel verzogen und nach 10m Flughöhe sieht und hört man die Drone nicht mehr. Beim Ausgang habe ich dann gelesen, dass Drohnen oberstaatsanwaltlich verboten sind. Was lernen wir daraus? Man sollte diese Schilder in den Eingang hängen.
Das nächste Örtchen hat den schönen Namen Dumfries. Geselliges Treiben am Fluss, alte Gassen, und Sonne vom feinsten. Die Möwen haben Weltschmerztag und meckern um die Wette. Es gibt Haggis Pie, also Schafskern im Teigmantel.
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It's a lot of hot. Es ist so heiß, dass ich es nicht in meinem Stiefeln aushalte. Nur habe ich halt keinen Platz in meinen Taschen für das schwere Gewerk. Ich muss sie hinten dran binden und hoffen, dass sie mir folgen.

Kirkcudbright ist heute Endstation. Das wird Kirködbrä ausgesprochen. Dass mache ich aber nur, wenn ich unbedingt muss oder ein bisschen angeben will. Quasi totaler checker. Alter Schotte eben.
Direkt auf den Zeltplatz. Niemand da. Nur so ein Schild, man möge sich bei Silvercraigs.net einloggen. Ich denke, so ein Schnee. Aber schau, nach 2 Minuten habe ich einen Platz und per PayPal bezahlt. Nächste Suche betrifft den Stromanschluß. Ich finde nichts. Nicht mal für einen Rasierer im Bad. Also muss ich einen Camper mit Stromkabel finden. Ich schaue so, wer irgendwie nett und zuträglich aussieht. Und lande bei einem Heidelberger Pärchen. Die Welt ist klein und rund. Und dann gibt's auf der Zeltwiese auch so Tisch mit Bänkchen. Das ist so praktisch, dass ich nicht verstehe, dass das nicht verpflichtend für jeden Camping eingeführt wird. Ich mache einen Vorschlag für die nächste Geberkonferenz der UNO.

Dem gewissenhaften Leser könnte aufgefallen sein, dass ich auf allen Bildern dasselbe Shirt anhabe. Ich trage ein Shirt aus Wolle. Die sollen eben nicht so schnell müffeln wie das typische Outdoorplasticfantasticshirt. Und das teste ich am eigenen Leibe. Heute war Waschgelegenheit. Eben Gelegenheit, nicht dass ich da eine große Notwendigkeit gesehen oder gerochen hätte. Die deutliche Färbung des Waschwassers korreliert dann doch nicht mit meiner Erwartungshaltung.

Tag 5 - durch den Cairnsmore Nationalpark - 13. August 2022

Mit vollen Batterien, 3 Liter Wasser und Proviant für 1,5 Tage geht's los. Nicht mehr die großen Straßen, sondern in den Cairnsmore Nationalpark. Es sollen über 100km werden, 1500 Höhenmeter und der größte Teil auf Schotter. Im Park geht es 40km auf schmalem Weg durch die Landschaft. Keine Häuser, keine Straßen.
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Zu Beginn des Parks treffe ich Tony auf seinem Mountainbike und wir radeln eine Stunde zusammen. Er kennt nichts von Deutschland außer Heidelberg. Da lag er 3 Wochen in der Uniklinik zur Krebstherapie. Es gab immer Spargel zum Essen. Geschichten gibt's.
Landschaft pur und die habe ich ganz für mich. Es gibt hier Schafe in Orange. Richtig Orange.
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Der Campingplatz ist ein bisschen spezial. Er heißt Walled Garden und liegt innerhalb einer 3m hohen Backsteinmauer. Mein Zelt stelle ich auf Kunstrasen hin. Wahrscheinlich hat das hygienische Gründe. Aber für diese Disziplin bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Und dann gilt hier adult only. Dass die süßen kleinen bambini letztlich schon nerven, ok. Aber dass man sich das so sagen traut. Spezial halt.
Heute habe ich das erste Mal richtig müde Beine. Da ich nirgendwo etwas zu Essen bekomme, werde ich heute letzte Spaghetti mit Pesto machen. Soviel wie eben in den kleinen Topf reingeht. 150g passt gedrängelt. Seit Studententagen habe ich beim Camping nicht mehr gekocht, weil ich viel lieber eine Pizza oder Fischbrötchen unterwegs kaufe. Aber zum Essen fährt man auch nicht nach Schottland. Das schlimmste ist das Brot. Wabbliges Zelluloseverbundmaterial. Normalerweise kaufe ich gerne in den kleinen Lädchen frische Sachen. Aber hier gibt's das nur in den großen Supermärkten. Aldi, Lidl und Spar.

Morgen hat das süße Leben ein Ende. Das schwül warme Wetter wird von einem Gewitter gestoppt. Ich möchte morgen auf die Insel Arran. Dafür versuche ich morgen schon die 12:00 Fähre zu bekommen, damit ich nachmittags auf dem Zeltplatz vor dem großen Regen ankomme. Ich habe dort für 3 Nächte gebucht. Es wird nass und kalt werden.
Was uns Deutsche am Ausland natürlich besonders interessiert ist, ob sie hier ihren Müll richtig trennen. Die Schotten tun das nicht. Jedenfalls nicht auf den Campings. Hier bleibt es also noch bei unserer Marktführerschaft.

Tag 6 - mit der Fähre nach Arran - 14. August 2022

Morgens geht es durch nebelige Landschaften schön geschwungen zur Küste. Ich sollte für drei Tage einkaufen. Es gibt wohl schon einen kleinen Shop in der Nähe des Zeltplatzes für das Allernotwendigste. Der Zeltplatz ist ganz im Süden der Insel, sehr abgelegen und man soll da sehr gut die Robben sehen können. Oder Delphine. Ich wette mit euch, dass ich nichts sehe. Ich hoffe auf eine Internetverbindung, wenn ich da bei Regen im Zelt ausharren muss.
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Auf dem Weg habe ich Chris getroffen, der gerade an seinem e-bike einen Platten flickte. Der dritte Plattfuß am Tag, folgerichtig auch das dritte Pannenbier. Das Rad hat einen 20 PS-Motor eingebaut. Zum Vergleich habe ich so 1 PS. Ich durfte trotzdem mich mit ihm unterhalten und er erzählte mir von der Polizei, vor der er immer wieder flüchten muss. Manchmal mit Erfolg, manchmal wird es teuer. Die Polizei warnt: E-bike kann süchtig machen. Zuviel ist nicht gesund.
Um 12:00Uhr muss ich nach 70 km an der Fähre sein. Doch vorher will ich noch Vorräte für die Insel hamstern im meinem bevorzugten Lebensmittelgeschäft, wo es aldi schottischen Spezialitäten gibt. Die Fahrradtaschen sind am Anschlag voll. Käse, Lachs, Thunfisch, Tortellini, Bananen, Yoghurt, sündigen Nachtisch. Sogar Müsli. Milch dürfte ich vor Ort bekommen. Ich kann mein vorgebuchtes 15:00 Uhr Ticket problemlos gegen das frühere Schiff tauschen.
Beim Warten auf das Schiff treffe ich Malcolm. Er ist ein Kollege von mir und wir reden über Brexit, Putin und Boris Johnson. Wir finden das alles gemeinsam doof. Nach der 1-stündigen Überfahrt haben wir nicht alle Probleme gelöst, aber immerhin die Richtung bestimmt, in der sich der Globus drehen sollte.
Auf Arran angekommen ist immer noch eitel Sonnenschein und ich bin wieder viel zu schnell unterwegs. Dafür halte ich an jeder Bank mit Seeblick und versuche meinen Essensberg abzubauen.

Bei ein paar Regentropfen und heftigem Wind versuche ich das Zelt aufzubauen. Zuerst die Ecken mit Häringen fixieren und dann die Alustangen einfädeln. Sonst verschwindet das Zelt im Meer. Mit allen 10 Häringen spanne ich das Zelt ganz straff ab. Das könnte sonst auch richtig laut werden, wenn der Wind noch stärker rüttelt.
Coolcamping führt diesen Platz auf. Das ist quasi der Oscar für Zeltplatz. Hier der Oscar für beste Scenerie. Seal shore heißt der Platz. Wegen der Robben, die ich nicht sehen werde. Aber mir reicht vollkommen der Blick aufs Meer und die kleine Insel mit Leuchtturm vor mir. Sieht klasse aus.
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Meine Gedanken zur Nacht. Vor drei Monaten habe ich diesen Zeltplatz genau für heute reserviert. Das ist schon ein kleines Wunder, dass alles geklappt hat. Corona, die Deutsche Bahn, oder schottischer Dauerregen hätten mir da Striche durch die Planung machen können. Jetzt sitze ich hier mit warmem Kaffee und Lachs Brötchen, perfektem Internet, null midges und genieße dieses grandiose Panorama.
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