7.Tag 22.08.2016 Tour de Cappuccino
Bella Italia, die Sonne lacht, ich habe die italienische Fahne auf dem Helm, quasi Liebeserklärung. Wißt ihr noch, früher? Bevor man nach Italien fuhr, ging man zum ADAC. Wegen der großen Reise. Da gab es diese Gutscheine für Benzin. Die Gutscheine für Gelato kamen vom Opa: der Vater hat ein Geld gekriegt nur für Eis. Und die ganze Familie mußte den Papa daran erinnern, den Farbfilm einzupacken. Wenn du die Leute heute fragst, wie war der Urlaub? Also super, wir sind geraftet, gedived und sind nun total powergechilled. Wir waren in, in, in, na also egal. Essen war super, das haben sie endlich drauf. Lactosefrei, vegan und keinerlei Gluten.
Am Lago dahingleiten ist eine der Kernkompetenzen meiner englischen Schönheit. Überall gibt es kleine Städtchen zum bummeln und Capuccino trinken und gesehen werden. Besonders das erste Städtchen nach der Grenze ist ein italienischer Traum: Cannobio. Hier ist auch noch ein Hafen vor der Flaniermeile und autofrei ist es auch. In einem kleinen Lädchen kaufe ich Obst, Käse und Brot. Ein junger Mann begleitet meinen Einkauf, wählt das Obst und wiegt es und empfiehlt den Käse. Alles kommt mir sehr preiswert vor: der Capuccino mit Croissant für 3 Euro.
Es ist schon Nachmittag, wenn ich vom See wegkomme. Letztendlich will ich ans Meer. In 2-3 Tagen. Um den Moloch Turin weiträumig zu umfahren, habe ich mir kleine Sträßchen in den Alpenausläufern ausgesucht. Das sah schon auf googlemaps recht kurvig aus. Dazu kommt jetzt noch, dass es ständig den Berg 1000 m hoch und wieder runter ging. Ich habe für diese 120 km 4 Stunden gebraucht. An vielen Stellen komplett im ersten Gang und an den Spitzkehren mußte ich füsseln und zurückstoßen, um die engen Kurven zu nehmen. Und dann muß man Schlangenlinien fahren wegen helmgroßer Schlaglöcher. Und wenn du meinst, es geht nicht ärger, hört der Asphalt auf und es geht auf Schotter weiter. Am schlimmsten war dann ein 200m langer unbeleuchteter Tunnel, in dem man auf Lehm und groben Steinen dahinstoplerte. Da darf man sich schon wundern, weil das ja eine Straße ist, die auf einer besseren Landkarte auch eingezeichnet ist. Zumindest so gestrichelt.
Zwischendurch gab es dann auch einen Ausblick direkt auf den Monte Rosa mit seinen fast 5000 m Höhe und seinen schneebedeckten Gipfeln. Die Franzosen sind weniger farbenblind und nennen den Berg Montblanc.
Da ist ein wunderschönes Alimentari-Lädchen in Piedicavallo und ich will unbedingt innnen ein Foto machen. Ich kaufe einfach etwas bei der Signora, so dass sie mich mag, und dann frag ich sie: posso foto? Aber was kauft man am besten? Rosen, nein, ihr seid ja narrisch. Am Ende muss ich bleiben. Ich dachte mir, vielleicht mag sie Tiere? Also habe ich eine Eselsalami gekauft. Und natürlich hatte ich damit Erfolg, und durfte mein Foto machen. Mehr aber auch nicht.
Kurz vor Dunkel habe ich mir noch Oropa angetan: grob geschätzte 17 Kirchen stehen da auf engstem Raum. Weltausstellung der Kirchen, Mekka der Kirchen. Alleine quantitative Argumente müssen jeden nur ein bisserl gläubigen Menschen davon überzeugen: das muss der Menschheit erhalten bleiben, sprich Weltkulturerbe. Da ist kein Städtchen oder Ort in der Nähe. Ich sag mal, auch der beste Hirte kann mal auf die Schafe verzichten. Aber ich will jetzt nicht über Religion reden. In meiner Herrenrunde haben wir uns dieses Thema verbeten. Es führt zu Streit und Krawall, weil jeder von uns weiß, wie man richtig glaubt. Jetzt, das ist die Stelle, eine Lanze für den Atheisten zu brechen. Er hat es so schwer: er hat den Beweis zu erbringen, dass es dieses spirituelle Etwas nicht gibt, nie und nirgends. Ihr habt bestimmt im Spiegel gelesen oder es zumindest intuitiv schon immer geahnt: das Weltall dehnt sich schneller aus als gedacht. Und nun ahnt ihr schon, wohin der Hase humpelt: es wird immer schwieriger zu beweisen, dass da nichts ist und zwar nirgends. Also, das sind die Sisyphusse und Don Quijotes unserer Zeit. Ich selber habe die Tendenz, den einfachen Weg zu gehen. Die Latte so hoch zu legen, dass ich gut unten durch komm. Also bin ich Agnostiker: kann schon sein, persönlich habe ich ihn noch nicht gesehen, aber schaden tut es nicht. Aber wenn man von einer anderen Seite herangeht. So von der Sympathie her. Die nettesten und lustigsten Menschen glauben an die Wiedergeburt des Osterhasen, sie glauben an die Reinkarnikelation.
Heute habe ich mein Tagespensum nicht geschafft und hatte riesiges Glück, dass ich kurz vor Dämmerung noch einen Minicamping gefunden habe. Ich bin der einzige Zelter und bekomme den Schlüssel zur Warmdusche. Ansonsten gibt es hier noch ein Plumpsklo und ein Waschbecken.
8.Tag 23.08.2016 Viele Kilometer nach Süden
Heute steht ein Fahrtag an. Richtung Süden. Es geht kurvig wie im Allgäu durch die Berge. Es ist hier touristisch komplett unerschlossen, obwohl Turin keine 50km entfernt ist. Irgendwann wird es dann flacher und weniger kurvig. Nach stundenlanger Kurvenarbeit tut es auch mal gut, einfach nur gerdeaus zu fahren. In der Ebene ist Italien meistens zerfleddert. Irgendwo zwischen frisch erschlossenem Gewerbepark und heruntergekommener Industrieruine. Und ich mache Kilometer. Ohne Navi wäre das alles sehr stressig. Und mit Navi sehr komfortabel. Ich werde direkt auf einen Parkplatz gelotst, von dem man eine ponte diavolo erwandern kann. Ich habe das irgendwann im Winter ausgetüftelt und jetzt freue ich mich über die Abwechslung. Quasi selbst betreutes Fahren. Und plötzlich stehe ich auf den Pflastersteinen eines alten Marktplatz. Unter den Arkaden kann man speisen und ich genehmige mir alici fritte. Ich hatte keine Ahnung was da kommen wird, und jetzt glaube ich, das sind Sardellen.
Ich bin schon 16:00 Uhr auf dem Camping und vertrödel etwas Zeit mit zwei Bikern aus Ravensburg. Sie haben für morgen den gleichen Plan: die Schotterpiste nach Frankreich. Sie haben zwei Motocrossmotorräder im VW-Bus. Mit unter 120 Kilo sind sie die Gazellen auf der Piste, und mein 260 Kilo Monster plus Gepäck ist der Rollator. Ich bin der Meinung, gelesen zu haben, dass man auch mit zivilem Gefährt die Piste fahren kann und darüber waren die Ravensburger nun enttäuscht. Und ich bin jetzt nervös, ob ich nicht doch meine Möglichkeiten überschätze.
Abends noch ein paar Meter ins nahe Limone geschlappt. Aber der Ort ist schön und weiß das auch. Also Volksfest. Die Ravensburger sind die kurze Strecke mit dem Bus gefahren. Wenn ich wieder dafür Kapazitäten habe, werde ich dies anprangern. Also die paar Meter.
Es ist richtig Sommer, mittags über 30 Grad, aber sehr angenehm trocken. Der Wetterbericht ist übersichtlich und man kann ihn sich gut für die nächsten 7 Tage merken.
Was ich noch erzählen muss. Man hat mich mit grober Stimme, ich sag mal, angerüffelt. Weil ich auf einem Parkplatz mein Motorrad abgestellt habe. Weil italienische Regel: Autos parken auf Parkplätzen. Motos parken überall, nur nicht auf Parkplätzen. Das ist eine klare und verständliche Regelung, und wenn man sie mir höflich nahelegt, so will ich ja alles richtig machen.
9. Tag 24.08.2016 Die Ligurische Grenzkammstraße
Ross und Reiter sind gut durchgerüttelt in Frankreich angekommen. Die Schotterstraße liegt hinter mir und jetzt ist mir wohler. Ich kann das Meer sehen und sitze unter Olivenbäumen auf einem Camping in Menton.
Wenn du alle Menschen fragst, die ein Moped ein bisserl lieb haben, nach der ligurischen Grenzkammstraße, dann ist ganz klar: sie muss der Welt erhalten bleiben, sprich Weltkulturstraße. Das sah die EU auch so, und hat die Renovierung dieser alten Militärstraße bezahlt. Diese Straße wurde für den 1. Weltkrieg von den Italienern erbaut. Die Straße verfiel mit der Zeit und war nur noch mit geländegängigem Werkzeug befahrbar. Jetzt sind die schlimmsten Stellen entschärft, sie ist 5 Tage die Woche geöffnet und kostet 10 Euro. 140 Fahrzeuge dürfen maximal am Tag hereinfahren.
Ich hatte schon Schwierigkeiten, den Einstieg zu finden, obwohl ich einen GPS - Track auf dem Navi hatte. Am Beginn gibt es ein altes Fort und man muss eben mitten durch diese Ruinen fahren. Die Militärstraße geht mitten durch das alte Militärgelände. Und dann stehen 80 km grober Schotter vor einem, wobei ich mich auf den Haupteil mit knapp 50km beschränkt hatte. Es gab keine Stelle, die extrem schwierig gewesen wäre oder wo man nur mit einer Portion Wahnsinn durchbrettern kann. Der Anfang war am kompliziertesten, weil es gleich so steil hoch geht. Die gesamte Strecke bin ich im ersten Gang gefahren und häufig mit schleifender Kupplung. Schon nach dem ersten Kilometer bin ich nassgeschwitzt und es rüttelt alles durch. Ich hab da einfach Hemmungen, mit höherer Geschwindigkeit drüberwegzubrettern.
Das ist jetzt aber schon ein Ereignis, mitten durch die Alpenlandschaft zu fahren. Die Aussichten wechseln ständig und es ist einfach grandios. 5 Stunden habe ich gebraucht, auch inclusive vieler Fotopausen. Wenn es dann irgendwann wieder auf diesen köstlichen Asphalt geht, meine ich zu fliegen. Fotos liefere ich noch nach, den Directorscut will ich euch nicht zumuten.