Konrad Gös

Schottland 2015 Teil 3

Auf Skye

Skye ist anders. Nicht mehr so Kanada, eher Island. Keine Bäume, grün und irgendwann karstig. Wir haben immer noch Klimawandel, blauer Himmel und ordentlich Wind. Von der Fähre geht es zweispurig durch die Landschaft. Ich will wieder an das letzte und hinterste Stück. Südwest. Da gehts auf schmaler Straße zum meinem 1a Camping Glenbrittle und das Zelt steht am frühen Nachmittag in Hörweite zum Meer. Auf einem riesigen Gelände verteilen sich wenige Zelte. Das Duschhäuschen ist 300 m weit weg.

Und dann kommt da dieses große schwarze Auto direkt vor mein Zelt und 5 Personen steigen aus. Ich tippe in Richtung Pakistan. Breiten eine glänzende Baumarktfolie vor meinem Essensplatz aus. Einer der Herren fragt mich, ob ich was dagegen hätte, wenn sie hier beten würden. Was bitte soll ich jetzt da sagen? Dass ich schon 2 Stunden bete, aber dass es nichts genützt hat? Oder dass sie bitte nicht so laut? Natürlich habe ich nur genickt, weil ich ganz sicher bin, dass es nicht schadet.
Aber andererseits: wenn schon beten, dann ist hier wirklich kein schlechter Platz dazu. Ich habe halt ein Gespür für heilige Orte.
Tag 7 23.August Weiter nach Norden Richtung der Insel Skye
Bei Regen schlafen alle auf dem Platz noch etwas länger. Deshalb können Sie diesmal den Sound der Bonneville in Ihre Träume einarbeiten. Zur Insel Skye muss ich erst mal wieder mit der Fähre von Mull runter. Das klappt auch wieder drauf und los gehts. Um 9:00 bin ich wieder auf dem Festland.
Auch verregnet sieht das großartig aus, aber nur bei wirklich lohnenden Stellen halte ich bei dem Niesel an. Regenschirm über die Alukiste, Kamera raus und nah unter den Schirm. Helm bleibt auf. Bildausschnitt Glücksache.
Man merkt es kaum, wenn es aufhört zu regen. Aber kurz drauf wird mir zu warm. Es wird immer windiger und wärmer. Ich muß alle unteren Schichten am Straßenrand loswerden.
Es wird heute 25 Grad, pure Sonne und Turbowind. Den Schotten ist das gar nicht recht, es ist zu warm. Ihre kurz Hosen habe sie nicht wegen der Hitze an, sondern ihr wißt.
Wo ich hingehe, gibt es Klimawandel.
Toller Sandstrand, Sonnenuntergang, 20 Grad. Langer Abendspaziergang in der Bucht, aber Konrad muss jetzt im Zelt bleiben. Midges sind eine Plage. Es ist merkwürdig windstill geworden, was eindeutig diesen Bestien liegt. Beim Zeltaufbauen haben sie schon meine Hände verbissen und im Gesicht sehe ich aus wie mit 15. Beim Laufen ist es meist ok, aber wehe man bleibt stehen. Im Zelt habe ich nun eine Weile Tiere erschlagen. Die Viecher sind nicht die hellsten und fast jeder Schlag sitzt. Von innen sehe ich, wie der Eingang belagert wird. Aber da das Zelt zwei Eingänge hat, bekomme ich alles durch die Hintertür ins Zelt und jetzt habe ich mal meine Ruhe und kann etwas essen. Ursprünglich wollte ich 3 Tage hier bleiben, habe für 2 bezahlt. Wie ich mich kenne, packe ich morgen früh wieder das Zelt ein.
Hoffentlich springt morgen das Motorrad an, ich stehe ganz unten.

Es hat sich noch mal gelohnt aus dem Zelt zu kriechen kurz vor Sonnenuntergang:
Die Schotten sind einfach klasse. Immer mit Lächeln, wirklich jeder grüßt, und wenn ich nach irgendwohin frage, würden sie mich immer zum Bahnhof begleiten. Alles wirkt auch komplett tiefenentspannt. Ich vergebe 1,5 Pluspunkte. Schotten und Schwaben verstehen sich wahrscheinlich besonders gut, weil uns ja ähnliche Charaktereigenschaften nachgesagt werden. Ich will das im einzelnen nicht vertiefen, habe auch keine große Ahnung, aber wenn ihr jetzt mit sparsam und eigenes Haus kommt, höre ich hier sofort auf.

Die Westküste unterhalb von Skye ist relativ flach mit längeren Sandstränden. Es ist schon einiges los hier und ein Zeltplatz reiht sich an den anderen. Und ich will an einen speziellen, der in vielen Internetforen hochgefeiert wird. Der ist aber leider schon verbucht. Nur noch mit Voranmeldung. Also erstens ist das schade, weil die Flexibilität beim Zelten doch ein großer Vorteil ist. Zum anderen sieht man schon auch, dass es eine Menge Schottlandfans gibt, die Ihre Reisen lange vorher planen. Auch viele B&B sind wie im Internet zu lesen teils bis in den Oktober ausgebucht.
Tag 9 24. August Einmal rum um Skye
Gestern Abend waren es noch 6 Zelte, zwei wurden vor Dunkelheit schon abgebaut, heute morgen waren 2 platt vom Wind, das eine teure Hilleberg Zelt eines Radlers stand noch, und meines. Ist übrigens ein exped-Zelt.

Wenn ich schon nicht in dem Favoriten-Camping Camusdarach zelten durfte: heute morgen bin ich durch die Felsen und den fast weißen Sandstrand gestiefelt. Ein Traum ohne Worte. Ich musste auch noch ein bisschen Zeit schinden, weil ich vor der Fähre nach Skye noch tanken wollte und vor 9:00 Uhr geht hier nichts. Nach dem Motorad wird der Fahrer versorgt im Coop. Alles für die einsame Insel eingepackt. An der Kasse dann wird die Dose Bier verhaftet. Vor 10:00 Uhr kein Alkoholverkauf! Mit ein bisschen Verständnis ist das auch nachvollziehbar, weil betrunkene Schotten zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr ist kein schönen Anblick. Aber ich darf dieses Thema nicht vertiefen, sonst mailt Jaqueline wieder.
Gefräßige Biester erwarten mich schon am Zeltausgang. Entscheidung stand schon vorher fest. Ganz schnell hier weg. Auch den Frühstückstee spare ich mir. Halbe Stunde reicht mittlerweile und das Zelt ist hintendrauf und es geht frühmorgens aufs Motorrad. Ich will eine dreiviertel Runde um Skye machen und in Portree übernachten. Das ist der größte Ort auf der Insel
Und nichts ist es mit hop and ship. Die erste Fähre ist ausgebucht, 2,5 Stunden später geht es los. Diese Schicksal teile ich mit Simon und Jonas, zwei Biker mit schwarzen Flitzern aus Nordrheinwestfalen. Mit Kaffee und Reisetalk geht die Zeit vorbei. Derweil hat der Fährensheriff talibanösen Gewerk an den beiden streetfightern entdeckt: Benzinkanister sind heckseitig mit Gummispannern befestigt. Das verstößt gegen 7 EU-Verordnungen und überhaupt hat Benzin an einem Motorrad nichts zu suchen. Darf nicht auf die Fähre. Simon schlappt pflichtbewußt zur Tankstelle, hat aber die beiden Kanister vergessen. Die passten ganz gut in meinen Alukoffer. Aber doof war der Sheriff dann auch nicht und hat wohl den Braten gerochen. Beim reinfahren auf die Fähre schaut er mir, der Unschuld vom Land, tief in Augen: any petrol on the bike? No kommt ganz leise und ich werde durchgewunken. Die kleinen Sünden werden sofort bestraft. Beim Rausfahren aus der Fähre versagt der Anlasser und das Fährenpersonal schiebt mich raus. Den ganzen Vormittag hatte ich Kameraakku und iPad am Motorrad geladen, war nur 10km unterwegs gewesen und hatte 10 mal den Motor gestartet. Jetzt war die Batterie alle. Und dann ist es natürlich bestens, wenn man Freunde aus NRW hat. Schieben mich einen Hügel hoch und wieder runter, 2.Gang und tschüss.

Ich kann ja nicht gleich wieder anhalten, da kann Skye noch so seine Reize haben. Ich fahre jetzt solang, bis die Hupe wieder funktioniert. Dann müßte die Batterie halbwegs voll sein, und ich darf wieder fotografieren.
Ich habe ja nicht nur die Mission, sondern es sind auch Spezialaufträge auszuführen. Als Überbringer guter und allgemeiner Botschaften gehört der Dankesbrief zu meinen Kernaufgaben. Ich muss also heute eine solche Botschaft persönlich abliefern. Der Absender sind meine Nachbarn in Heidelberg, die vor 2 Jahren ein sehr herzliches B&B genossen haben. Und jetzt muß ich einen hintersten und letzten Zipfel ansteuern und Mrs Laing einen Brief überreichen. Ich weiß die Abzeigung von der Rundstraße und suche nun ein B&B. Gibt es nicht mehr, aber den Namen finde ich an einem Haus und fahre die Kieseinfahrt hoch.
Radebrechend erkläre ich meine Mission und allmählich bekommt die Dame ein Glänzen in die Augen. Sie kann sich gleich an die beiden Heidelberger erinnern. Ich bin zum Kaffee eingeladen und wir schwatzen eine Weile. Sie erzählt von den langen Wintern. Hell wird es ab 9:00 Uhr und dunkel schon ab 15:00 Uhr. Aber es gibt immer was zu tun. Es ist hier wirklich das hinterste Ende von Skye und Mrs Laing meinte, wenn die Straße in 1km aufhört, kommt als nächstes Amerika.
Ich werde das auf meinem Dierke mal nachschlagen.
Nach einer Umarmung gehts weiter, ich habe noch andere Aufträge und weitere Missionen.
Ein Leuchtturm soll bewundert werden. Die sind auch immer in einem hinteren Winkel, das ist funktionsbedingt. Auf dem Weg dahin stellt sich ein alter Corolla quer vor mich auf die Straße. Die Dame will etwas von mir. Ich verstehe cattlegrid und merke dass sie mich warnen will vor einem dieser Gitter in der Straße. Und das war so nett wie nötig. Da fehlen dann zwei dieser Streben und ich schiebe auf der Mittelschiene langsam drüber. Merci Madame.

Gut dass Herr GPS mit seinen Erfindungseist so lang gebraucht hatte, sonst wären diese einsamen Zeugen der Zivilisation nie gebaut worden. Den Kampf gegen die Sirenen nahm dieser Turm nicht nur mit seiner Strahlkraft auf, sondern da steht dieses 5m lange Schallrohr. Wer nicht sehen kann, muss hören. Es ist herrlich warm und ich muss mehrere Kilo meiner Rüstung unter dem Arm tragen.

Zur Westküste geht es über einen kleinen Pass und dann steht man in einer Fantasielandschaft. Hier ist Skye ganz eigen, nicht mehr so wie da oder dort.
Mitten in dieser andächtigen Kulisse steht ein Softeis-Wagen, der mit seinem Dieselgenerator den Sound in diesem Märchen bestimmt. Ich rufe zum weltweiten Boykott dieses Eises auf! Kauft! Kein! Eis! Aus! Skye!

Es ist spät, viel gelaufen, ich freue mich auf einem schönen Zeltplatz bei Portree.
Bei schönem Wetter blühen die midges. Ich geh früh ins Zelt, das ist kein Auskommen mit dieser schottischen Seuche.
Tag 8 23 August Erst anhalten, wenn die Hupe geht!
Der Regen hämmert die ganze Nacht aufs Zelt und heute muss ich wohl das erste Mal das Zelt nass abbauen. Aber ich wußte ja, dass das irgendwann kommen muss. Da gibt es natürlich den Tipp erfahrener Camper: Zelt immer trocken zusammenbauen. Aber das geht halt nur, wenn du unter dem Weihmachtsbaum wild zeltest.
Der erfahrene Schottlandreisende hat auch immer den großen Trost, dass der Regen zumindest die midges vertreibt. Hier wissen das die Tiere aber nicht. Doppelt lästig.

Ich bin Systemcamper. Zelt, Schlafsack, Isomatte: alles separat in wasserdichten Säcken. Oberstes Ziel muss sein, dass zumindest der Schlafsack trocken bleibt. Ansonsten geht die Runde ans Casino. Ich habe dafür die tollen Exped-Stuffbags mit nano-Beschichtung und Carbonfasern. Müßt ihr euch auch kaufen. Ich bekomme von Exped für jede positive Bemerkung in meinem Blog 10,-Euro. Also die Exped-Dinger, nicht Ortlieb. Falls ihr nicht campt, man kann auch sehr gut sein Bargeld drin lagern. Exped war einer der eigentlichen Gewinner der Griechenlandkrise. Also Exped, Exped, Exped....