Mit dem e-bike und Zelt - Pfingsten 2025
von Heidelberg ins Jura
Heute war das gleiche Programm wie gestern: die erste Runde muss ich
frieren. Dabei geht es hoch in den Wald und da schottere ich so vor mich
hin. Es ist alles immer noch matschig und ich muss die
steilen Anstiege schieben. Wenn ich dann aber oben bin, so auf 1000 MH,
gibt es die Belohnung. Will sagen, dass Frühstück will verdient sein.
Der Rest läuft von alleine. Am vierten Tag wissen die Beine, wo es lang
geht. Die Akkus und der Kühlschrank sind gefüllt und die Sirenen meiner
geriatrischen Nöte halten die Klappe.
Ich mag die Vogesen, weil sie so ein bisschen Urwald sind. Meine Wege
schlängeln sich abseits sämtlicher touristischer Highlights, dafür komme
ich auf meinen 70 km heute nur einmal durch ein kleines Städtchen mit
Supermarkt. So habe ich die Vorstellung, durch eine weite Wildnis zu
radeln.
Wenn du das an der
Supermarktkasse kapierst, dann hast du auch Globalisierung, ETFs,
Aussenhandel und Israel verstanden. Also diese Kommunikation und die
kleinen und mittelgroßen Dramen beim Bezahlvorgang. Im Super-U sind zwei
Damen vor mir. Die Ältere kann nicht fassen, was das bisschen im
Körbchen alles kosten soll und kramt hier und da, um den verlangten
Obolus zu erstatten. Man möchte ihr das Geld heimlich zustecken. Das hat
natürlich gedauert, aber ich habe die Geduld des einsamen Waldmenschen.
Dann das junge, dünne Mädel. Gekauft hat sie einen Magerquark und eine
Karotte. Aber diese Plastikkarte vergessen. Also ist sie losgerannt,
irgendwohin und nach so einer gewissen Zeit ist sie zurück gehetzt und
hielt mit rotem Kopf die Karte an die Kasse. Der Waldmensch hat auch
diese Szene purer Menschlichkeit wegstoisiert. Jetzt bin ich dran und
Madame lächelt mich wirklich hübsch an. Mein Herz erwärmt sich und der
Kopf braucht handgestoppte 7 Sekunden, in denen sich mein Debilitätsgrad
offenbart und dass ich vergessen hatte, das Obst zu wiegen.
Eine ganz verzwickte Situation gestern. Auf dem Zeltplatz ist
die Rezeption geschlossen. Ich soll mich aber schon installieren. Der
Camping Capo kommt vorbei und sagt, dass erst morgen kassieren wird.
Ich sage ihm, dass ich um 6:00 in der Früh weggezwitschert bin. Ich
glaube, er hat das nicht verstanden. Aber gut. Der Hilfssheriff verhilft
mir zu Strom, indem er mit einem Schlüssel die Strombox öffnet, mein
Kabel einsteckt, und wieder abschließt. Und er darf erst wieder
aufschließen, wenn ich bezahlt habe. Sagt er. Weil der Patron das so
sagt. Der Capo darf nicht kassieren und deshalb auch der deputy nicht.
Nach einer Pizza und drei Stunden später bitte ich den Hilfssheriff,
mein Ladekabel zu befreien. Und er weigert sich. Der Patron! Der gute
Mann ist in einer Zwickmühle und macht sich auf die Suche nach seinem
Herr und Meister. Etwas später beliebt dieser zu erscheinen. Der Mann
aus dem Wald in körperlanger schwarzer Kutte. Die Nase und irgendwo auch
die Augen kann ich verorten in seinem dichten Gesichtsurwald. Ich
stammele mit meinem Restefranzösisch meinen Text und er verlangt 12
Euro. Ich war einfach froh, das Geld passend zu haben. Suizidale Gemüter
hätten jetzt um eine Quittung gebeten. Der Mann sieht aus wie das Cover
von Aqualung. Spart euch die Mühe, ich habe es als Bild hier beigefügt.
Und übrigens, Liebhaber von Bach und Querflöte kommen bei Aqualung voll
auf ihre Kosten.
Drei Tage bin
ich durch den Wald gefahren. Jetzt ist gut damit. Die Tage sind lang
und um 9:00 Uhr bin ich oben auf dem Berg. In 2 Stunden könnte ich am
Ziel in Belfort sein. Ich mache so etwas wie einen Ruhetag, indem ich
mir ein schönes Plätzchen nach dem anderen suche und meine Süddeutsche
einmal ganz durchlese. Ich muss auch meinen Kulturbolschevismus
eingestehen: das Fort in Belfort interessiert mich nicht so und eine
semiexistente Altstadt habe ich in 10 min weggekuckt.
Ein kleines Kirchlein steht am Wegesrand. Es zeigt uns, wie vergeblich das Streben nach Unsterblichkeit ist und hat als letzte Aufgabe für die Menscheit das präapokalyptische Zeitalter einzuläuten.
An jeder Ecke stehen hier Pizzaautomaten. Nouvelle cuisine.
Meine neue Kreation hat als Basisgrundhauptbestandteil eine Páte. Ich
finde sie sehr gelungen. Die Zwiebelringe nehmen die Formensprache
der Tomate auf, setzen farblich aber einen singulären Akzent. Es ist
einfach total important, dass ich ganzheitlich an die Broteschmierei
herangehe.
Die Tagesetappe auf Komoot
Heute geht es in die exotische Schweiz. Für die Landschaft dorthin hat
man sich keine große Mühe gegeben. Ist das hier Gewerbegebiet? Haben
hier Menschen gelebt? Warum gibt es keinen Bäcker? Der
Plan dahinter scheint eine kostengünstige militärische Abschreckung zu
sein, dass der Feind im Osten denkt: ach nö, das brauchen wir nicht.
Macht nur fiesen Dreck und Ärger.
Ich buche auf dem Smartphone schweizer Internet-bits, fülle auf
urdeutsche Weise beim Aldi meine Tröge auf. An der Grenze ist Zeit für
ein Selfie und das, was ich zu verzollen habe, kann ich nur euch
beichten.
Ich habe noch 10 Franken von früher. Für einen Kaffee könnte es reichen.
Auf Dauer brauche ich eine dieser Wände, die Geld hergeben.
Ich muss fast 500m in die Höhe um ins Tal des Doubs zu
kommen. Ich freue mich jetzt schon wegen dieses schönen Namens. In dem
Tal gibt es ab einem gewissen Punkt keine Straße, nur einen Wanderweg,
der hoffentlich radelbar ist.
St
Ursanne ist so ein Auto befreites Mittelalter Idyll. So ein richtig
schönes Dorf gab es auf meiner Route noch gar nicht. Du zahlst in
Franken, aber dafür wird dir auch was geboten. Das ist der Deal. Und so
eine prakische Mauer, die Franken ausspuckt, gabs auch. Läuft. Aber
jetzt geht es wirklich ab von der Straße ins Doubs Tal.
Ich bin auf dem matschigen Uferweg der Doubs angekommen auf meinem Zeltplatz. Der liegt wieder in Frankreich. Die Mitte der Doubs ist die Grenze. Wunderschöne Strecke.
Die Tagesetappe auf Komoot
Hier geht es weiter zu Teil 3