Tag 4 - zur Weissenhofalm - 19. August 2021
Um 5:30 Uhr bin ich schon richtig wach und ich will ja auch speziell heute ganz früh los. Es geht über einen etwas größeren Bergzug und da gibt es eine Straße hindurch, die allerdings seit 20 Jahren gesperrt ist. Wenn du das in diesem Internet nachschaust, ist es nicht fahrbar, dicht, Steinschlag, kaputt. Es gibt da aber auch Bilder von Radlern in dieser Schlucht. Man weiß es eben nicht. Die Datenlage ist dünn. Aber wenn du ein gewisse kriminelle Energie in dir spürst, sollte man dem eher in den Randzeiten des Tages nachgehen. Also jetzt ganz früh. Ich habe schon einen Notfallplan, der aber ein riesiger Umweg wäre. Bei der letzten Abzweigung frage ich einen Bauern, und der meinte zu glauben, dass man da eben nicht durchkommt, aber es gibt da diesen Umweg. Das stimmt mich hoffnungsfroh, wenn der Naturbursche meint, dem Piefke seine Glaubensmeinung kundzutun. Der weiß ganz genau was mit dieser Straße ist. Und Glaubensmeinung ist ja vor dem Herrgott kein Eheversprechen.
Der Weg durch die Schlucht geht immer weiter und ist gar nicht mal besonders schwierig. Es ist komplett still hier und niemand weit und breit. Ich mache hier meinen Frühstückskaffee und der Gasbrenner ist das einzige Geräusch. Ein flacher Weg für die Fußgänger, direkt in den Fels geschlagen. Am Ende gibt es auch noch zwei Tunnels, bis das Tal sich nach einer Staumauer weitet. Jetzt darf ich nicht verraten, wie das Tal heißt, sonst gibt es bald keine Geheimnisse mehr im Internet.
Im Ennstal angekommen gibt es beschauliche und flache Kilometer. Gestern ist meine späte Handwäsche nicht trocken geworden und auch das Zelt habe ich triefend nass eingepackt, und so brauche ich dringend zwei Stunden Sonne. Die kommt auf Bestellung und es ist das erste Mal auch über 20 Grad. Es geht Richtung Tauernhauptkamm. Dort oben kann ich nicht zelten. Ich habe auf einer Alm mit Schlafsaal reserviert. Bin sehr gespannt.
Die Alm sieht jetzt mal nicht nach Geheimtipp aus, als ich nachmittags einzoggele. Also erstmal Almspaziergang, bis die Tagesgäste wieder ins Tal gefahren sind. Das alte Holzhaus ist absolut urig und ich bekomme im Schlafsaal mein Bett zugewiesen. Ich habe das Matratzenlager ganz für mich und die Wirtin meinte, dass es eigentlich nur für Gäste genutzt wird, die zu viel frische Almluft getrunken haben und nicht mehr nach Hause kommen. Es gibt noch in der letzten Abendsonne ein richtig fluffigen Kaiserschmarrn, bevor es in die beheizte Hütte geht. Der Wirt erzählt mir, was sie alles hier oben selber machen, Brot, Milch, Butter, diese Sachen halt. Was er mir aber eigentlich nahe bringen will, ist seine selbstgebrannte Kollektion. Erste Runde Apfelschnaps, dann immer wärmend der Willi, also Birnenschnaps und nächste Runde der Zirbelschnaps, wo man so Tannenzapfen in den Kornschnaps einlegt und Wochen in die Sonne hält. Bevor ich völlig aus der Kurve fliege, Notbremse: ab in die Lagerstätten zur Ausnüchterung. Unten wird weitergefeiert und mein Ohropax entführt mich in mein Privatsilentium.
Tag 5 - über die Nockalmstraße nach Gmünd - 20. August 2021
Ich stehle mich in aller Frühe aus der ganz stillen Alm und habe heute einiges zu radeln. Zuerst über diesen Tauernhauptkamm. Das geht leider nur auf einer größeren Straße. Also einfach schnell durch. Es wird zwei weitere Pässe geben und zum nächsten Zeltplatz sind es 100 km und über 2000 Höhenmeter. Vielleicht gibt es im letzten Drittel wieder eine Alm, auf der man übernachten kann. Zumal auch wieder Gewitter gemeldet sind.
Ich war wohl bisher zu sehr verwöhnt von den kleinen Schotterwegen und Pfaden, die mich durch Österreich gebracht haben. Mal in den Ortschaften muss ich die Straße mit den Autos teilen, ansonsten kann man hier ganz entspannt durch viel super schöne Landschaft radeln. Heute bin ich allerdings gestresst durch die vielen Kilometer und den Verkehr. Die Nockalmstraße ist zwar mautpflichtig, aber ruhig geht's hier nicht zu. Erst für die Abfahrt ins Tal habe ich ein kleines Sträßchen gefunden, aber jetzt sind hier dunkle Wolken aufgezogen und ich komme bei den ersten Tropfen in der Steiger Hütte an. Auch das ist eine bewirtschaftete Hütte, aber so ab von den Wegen, dass ich der einzige Gast bin und ich sitze bei Speckbrot den Regenschauer aus. Mein Cholesterin hat partytime. Ich hatte kurz überlegt, hier zu übernachten, aber es ist immer noch 1700 Meter hoch gelegen und einfach ziemlich kalt. Unten im Tal lockt die Sonne. Ab nach Gmünd, eine grandiose 20km Abfahrt auf Schotter.
Tag 6 - Ruhetag in Gmünd - 21. August 2021
Man hat sich viel vorgenommen für den Tag und stellt mittags erstaunt fest, dass alles erledigt ist. Kennt ihr das? Also ich nicht. Es ist genau umgekehrt proportional, reziprok gesehen. Ich habe heute Ruhetag, ein bisschen Wäsche. Die Packtaschen entrümpeln, die zur Müllkippe tendieren. Und ich sollte noch einkaufen, denn meine Recherchen haben ergeben, es ist Wochenende. Am Ende muss ich Kompromisse machen, zumindest die Einkäufe habe ich erledigt.
Campen ist Religion, wie auch vegane Ernährung, Pfälzer Weinkultur und Bodyworkout. Alles mit aufsteigenden Tendenzen. Motorradfahren, Schalke04 und Katholizismus eher Downhill. Beim Campen gibt es wieder einzelne Sekten, die sich sehr ausdrücklich vom Mainstream Camper unterscheiden. Da gibt es den VW-Bus Fahrer. Wie im Wilden Westen bauen Sie Wagenburgen, um in inneren Zirkel Bibelgespräche über Vorzelte, Wagenheizungen und Dieselmotoren zu führen. Wenn nun aber keine Gleichgesinnten vorhanden sind, bleibt der Missionarsgedanke. So erfahre ich alles über die Unterschiede von T5 zu T6, die integrierten Gartenstühle und dass man keinen Bus ohne Rückkamera kaufen soll. Ich bin nun im Abwägen und entscheide mich für den Abwasch. Löffel und Messer brauchen eine Grundreinigung.
Jetzt warum alle diese neuen Religionen, hat sich das alte nicht bewährt? Auf alle großen Fragen unserer Zeit gibt es zwei richtige Antworten. Zum einen die geschickt eingestreut Bemerkung, dass man es differenziert betrachten muss, zum anderen die Globalisierung. Du kannst dich heute eben für jede Weltreligion entscheiden, alles ist im Angebot. Aber kannst du dich entscheiden zwischen Paradies und Wiedergeburt? Kurz vor Lebensende noch Buddhist werden für die Rückfahrkarte? Das wird wie bei einer Versicherung sein, dass du einen größeren Schaden erst nach ein paar Jahren Mitgliedschaft anmelden kannst. Oder ist das Paradies das ewige Oktoberfest. Man möchte schon genauer wissen, wie es oben aussieht und ob man auch direkt ankommt. Hier fängt der Hamster an zu humpeln. Ist alles nicht so ganz dolle und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Also lieber gleich Ayurveda, E-Bike und Bitcoin. Kostet Geld und verspricht die sofortige und ewige Glückseligkeit. Ihr merkt, alles verändert sich und bleibt wie es war.
Falls ihr langsam das Gefühl habt, dass mir der Ruhetag nicht bekommt und ich wieder besser beschäftigt werden muss: morgen geht es das Maltatal hoch, Bergsee, Almhütte, das ganze Programm. Zelt bleibt auf der Basisstation in Gmünd.
Und heute raffe ich mich am Nachmittag noch auf und fahre ins Städtlein Gmünd. Viele kleine Galerien und alte Mauern. Italien ist nicht mehr weit.
Campen ist Religion, wie auch vegane Ernährung, Pfälzer Weinkultur und Bodyworkout. Alles mit aufsteigenden Tendenzen. Motorradfahren, Schalke04 und Katholizismus eher Downhill. Beim Campen gibt es wieder einzelne Sekten, die sich sehr ausdrücklich vom Mainstream Camper unterscheiden. Da gibt es den VW-Bus Fahrer. Wie im Wilden Westen bauen Sie Wagenburgen, um in inneren Zirkel Bibelgespräche über Vorzelte, Wagenheizungen und Dieselmotoren zu führen. Wenn nun aber keine Gleichgesinnten vorhanden sind, bleibt der Missionarsgedanke. So erfahre ich alles über die Unterschiede von T5 zu T6, die integrierten Gartenstühle und dass man keinen Bus ohne Rückkamera kaufen soll. Ich bin nun im Abwägen und entscheide mich für den Abwasch. Löffel und Messer brauchen eine Grundreinigung.
Jetzt warum alle diese neuen Religionen, hat sich das alte nicht bewährt? Auf alle großen Fragen unserer Zeit gibt es zwei richtige Antworten. Zum einen die geschickt eingestreut Bemerkung, dass man es differenziert betrachten muss, zum anderen die Globalisierung. Du kannst dich heute eben für jede Weltreligion entscheiden, alles ist im Angebot. Aber kannst du dich entscheiden zwischen Paradies und Wiedergeburt? Kurz vor Lebensende noch Buddhist werden für die Rückfahrkarte? Das wird wie bei einer Versicherung sein, dass du einen größeren Schaden erst nach ein paar Jahren Mitgliedschaft anmelden kannst. Oder ist das Paradies das ewige Oktoberfest. Man möchte schon genauer wissen, wie es oben aussieht und ob man auch direkt ankommt. Hier fängt der Hamster an zu humpeln. Ist alles nicht so ganz dolle und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Also lieber gleich Ayurveda, E-Bike und Bitcoin. Kostet Geld und verspricht die sofortige und ewige Glückseligkeit. Ihr merkt, alles verändert sich und bleibt wie es war.
Falls ihr langsam das Gefühl habt, dass mir der Ruhetag nicht bekommt und ich wieder besser beschäftigt werden muss: morgen geht es das Maltatal hoch, Bergsee, Almhütte, das ganze Programm. Zelt bleibt auf der Basisstation in Gmünd.
Und heute raffe ich mich am Nachmittag noch auf und fahre ins Städtlein Gmünd. Viele kleine Galerien und alte Mauern. Italien ist nicht mehr weit.