Tag 10 - durch das Val Müstair nach Poschiavo - 29. August 2018
Die Nacht war eisig mit 5 Grad, aber mit Daunenjacke im Schlafsack bleibt es kuschelig. Beim Aufstehen trödele ich, damit ich etwas Sonne beim Losfahren bekomme. Während Müstair selber nur wenig alte Häuser hat, ist das nächste Dorf St Maria eine Filmkulisse.
Ein Cappuccino und dann geht es auf Schotter in das Val Mora auf 2300 m Höhe. Und jetzt kommt die absolute Sahnestrecke durch ein einsames Gebirgstal, anfangs auf einem Wirtschaftsweg, später ein schmaler Wanderweg. Großartige Landschaft, und ich finde Curry macht sich bestens zu den alpinen Farben. Der Weg ist zwischen durch doch etwas sehr abschüssig und ein paar Schiebepassagen sind dabei.
Wenn du Weihnachten deinen Kindern etwas Besonderes schenken willst, wovon du selber immer geträumt hast und deine Eltern leider überhaupt nicht von begeistert waren, und dann packt der junge Mensch das Geschenkpapier auseinander und beschäftigt sich den ganzen Abend mit dem Raschelpapier und zerlegt es wie eine Schreddermaschiene. Quasi beim Unboxing gescheitert. Jetzt ich wollte was erzählen: so geht es mir heute auch noch. Das stehst du in einer absoluten Traumlandschaft, aber wirklich fasziniert bin ich von einer Sammlung alter Stahlträger, die hier einen improvisierten Schrottplatz markieren.
Nach 50 km bin ich wieder in der Zivilisation in Livigno angekommen. Das ist wieder Italien und hier kann ich noch mal einen Hamster kaufen für die nächsten drei Tage in der Schweiz. Jetzt zum Beispiel. Die Toblerone kostet in der Standardgröße 5,50 Franken, hier in Italien 1,40€. Da müsste sich doch eine Geschäftsidee entwickeln lassen. Reimporte. Zollfrei mit dem Fahrrad geschmuggelt. Viele dieser hohen Pässe hatten aber wirklich diese Funktion. Man mied die Hauptverkehrswege und hatte damit keinen Zoll zu errichten. Manche Dinge ändern sich nie.
Die letzten Kilometer haben es in sich. Ich muss noch mal auf 2300 m hochkraxeln, und kurz vor knapp kommt eine Schotter-Serpentinenstrecke mit gefühlten 25% Steigung. Die letzten 100 Höhenmeter muss ich drei Mal laufen. 2mal mit Gepäck und dann das Rad auf dem Rücken. Heute wird es fast schon dunkel, bis ich auf dem Campingplatz in Poschiavo ankomme.
Die letzten Kilometer haben es in sich. Ich muss noch mal auf 2300 m hochkraxeln, und kurz vor knapp kommt eine Schotter-Serpentinenstrecke mit gefühlten 25% Steigung. Die letzten 100 Höhenmeter muss ich drei Mal laufen. 2mal mit Gepäck und dann das Rad auf dem Rücken. Heute wird es fast schon dunkel, bis ich auf dem Campingplatz in Poschiavo ankomme.
Tag 11 - Ruhetag in Poschiavo - 30. August 2018
Die Wetterlage verordnet eine Planänderung. Plan A wäre heute Ruhetag, morgen Ausflug von Poschiavo in die Berge mit dem Rad. Heute gibt es ein bisschen Nass, morgen gibt es nur Nass. Klassisch Klitschnass. Regen für den kompletten Tag ist angekündigt. Jetzt wäre natürlich der erste Gedanke: heute Rad, morgen ausruhen. Aber Po und Wade streiken. Klassisch Sitzstreik. Gestern waren es dann doch ein paar Meter zu viel und jetzt bummele ich durch das Tal und schaue die schönen alten Bauernhäuser und das mittelalterliche Poschiavo an. Heute Mittag will ich den See vor dem Camping umbummeln und für heute Abend habe ich Pizza im Camping vorbestellt. Klingt gut, oder?
Der Zeltplatz ist ein eigenes Idyll. Ein älteres Fräulein organisiert das alles in ihrem Haus, auch die Sanitärs sind in dem alten Haus untergebracht. Ich habe mein Zelt unter einem Apfelbaum aufgeschlagen und hatte ein sehr nettes Gespräch mit einem Graubündner Pärchen. Und wo ich jetzt schon mal einen originalen Schweizer im Gespräch habe, muss ich ihm die Toblerone-Frage stellen. Wieso kostet diese Schweizer Schokolade in Livigno nur ein Drittel im Vergleich zur Schweiz. Und weil die Schweizer alle Finanzgenies sind, kann er das schlüssig erklären: Livigno hat ein Abkommen mit der Schweiz, dass keine Zölle erhoben werden. Alles klar?
Gleich neben dem Zeltplatz gibt es den Poschavino- See. Ein spektakulärer Fussweg verläuft am Ostufer, mit Tunneln und in den Fels gehauenem Pfad. Auf der anderen Seite hat die Rhätische Bahn ihre Schmalspur.
Hier im Süden der Schweiz sprechen sie Italienisch, und viele können auch kein Deutsch. In Italien zumindest im Norden haben sie vornehmlich deutsch gesprochen. Wenn man sich da wundert oder fragt, wie das sein kann oder ob das auch so richtig ist, kommt sofort das eine große Argument: Globalisierung. Aber vielleicht steckt da wirklich ein guter Ansatz dahinter. Eine Form der nachhaltigen, ökologischen und sozialen Globalisierung. Wir bleiben zu Hause und üben selber die Sitten und Bräuche anderer Länder aus. Keine Kinderarbeit in Bangladesch, auch unsere süßen bambinis können sich mal nützlich machen. Keine Prostitution in Tschechien, nur weil Madame gerade Migräne hat. Alles können wir in unserer vertrauten Umgebung ausüben. Ich rufe euch auf, demonstriert gegen das kapitalistische Manipulat. Steht auf, geht auf die Straße und ruft: wir wollen zu Hause bleiben!
Tag 12 - Regentag in Poschavino - 31. August 2018
Uhhh, es regnet. Und regnet. Gestern Abend hat der Regen mit Blitz und Donner begonnen und wenn man den Orakeln trauen muss, so dauert es fast 2 Tage. Das Zelt steht gut verzurrt im oberen Teil der Wiese, wo das Wasser nicht so steht. Da nutzt das beste Zelt nichts, wenn du im Wasser wohnst. Im Zelt habe ich Strom für meine Spielzeuge, aber kein Internet für meine Unterhaltung. Ich sitze nun schon 2 Stunden im kleinen Aufenthaltsraum des Campings und es ist erst 10:00 Uhr. Den Regenradar habe ich schon zum siebten Mal angeschaut, und irgendwie ist Poschiavo im Zentrum dieses Unwetters, und alle Gewitterwolken kreisen Drumherum. Der Schlafsack und die Daunenjacke müssen trocken bleiben, dann geht das hier auch irgendwann vorbei.
Heute trödele ich zwischen der überdachten Veranda der Rezeption und dem Zelt. Ich habe die Süddeutsche Zeitung schon längst durch und lese die alten Ausgaben. Irgendwann gewöhnt man sich im Zelt an das Geprassel des Regens. Das Zelt hält dicht, nur das Rein und Raus ist halt immer eine nasse Geschichte. Es gibt eine kurze Regenpause, und dann interessierte mich schon, was hinter der Campingmauer so komische Geräusche von sich gab: ein kleines Schwein freut sich da an den neuen Pfützen. Noch kurz an den See, damit ich etwas Hunger habe für die abendliche Pizza. Absoluter Tageshöhepunkt.