Tag 10 - nach Rovinj - 29. August 2019
Nach Rovinj sind es gerade 60km. Ich wollte früh los, um vor der großen Hitze die gesamte Strecke hinter mir zu haben. So der Plan. Ich bin dann auf einem Weg stecken geblieben, der immer mehr zuwucherte mit dornigem Gestrüpp. Während ich noch denke, hoffentlich gibt’s es keinen Platten, ist es schon geschehen. Jetzt ist es nicht das erste Mal, dass ich flicken muss. Aber so mitten in der Pampa sollte es auch funktionieren. Der Hinterradreifen hatte gleich mehrere Dornen, ich finde aber nur ein Loch, das ich dann flicke. Beim Zusammenbau dann der kleinere Fehler: ich pumpe nicht fest genug auf, so dass der Mantel nicht komplett sich in das Felgenbett drückt. Ich bemerke das 100m später und nun der größere Fehler: ich schraube die Pumpe nicht fest genug auf und knicke dann das Ventil ab. Also wieder alles Gepäck runter und es muss der eine Ersatzschlauch eingebaut werden, den ich mit habe. Und denke: jetzt sollte möglichst nichts mehr passieren. Aber ich habe ja 2 Räder, und nach weiteren 200m ist vorne platt. Also wieder alles Gepäck abbauen und diesmal ganz sorgfältig den Reifen flicken. Auch vorne finde ich mehre Dornen im Mantel, aber auch hier nur ein Loch. Jetzt geht es flotter, da ich ja Übung habe. Aber vielleicht hätte ich mir mehr Zeit lassen sollen. Das Vorderrad ist nach wenigen Kilometern wieder platt. Ich hatte einen Dorn übersehen und muss die ganze Prozedere neu starten. Ich bin jetzt weitere 20km gefahren und schreibe neben einem Cappuccino in Bale. 4 Platten an einem Tag. Bis jetzt 13:00 Uhr.
Ich wollte schon deswegen früh in Rovinj sein, damit ich auch einen Zeltplatz bekomme. Es ist trotz Nachsaison fast ausgebucht, aber Stellplätze für die backpacker sind noch da. Glücklicherweise, denn ich habe nur ein Nervenkostüm mitgenommen. Jetzt beginnt der entspannte Teil, kurz ins Mittelmeer eintauchen und mit dem Rad ins Städtchen. Rovinj ist wirklich zauberhaft, aber bestimmt kein Geheimtipp. Ich renne noch zur Heiligen Euphemia und knipse diese Kirche mit der fantastischen Aussicht aufs Meer. Jetzt weil mein Schwesterlein das so wollte, und ich das deswegen einfach zu machen habe. Ich hoffe, sie mag das Foto von der heiligen Schönschwetzerin.
Rovinj spricht man Rovin, also ohne das j am Ende. Ich nuschel das zum Schluss noch so leicht dazu, sonst wäre es ja komplett Sinn frei. Aber nicht dass ihr denkt, ich spreche das den ganzen Tag vor mir her. Ich meine nur, wenn ich müsste.
Das Mondlicht macht auf Romantik, und ich bin vorübergehend überglücklich. Ich werde heute Nacht nochmal aufstehen und den Reifendruck überprüfen. Rovinj!
Tag 11 - Rovinj - 30. August 2019
Früh morgens in Rovinj gibt es die Kärcherer und die Jogger. Man könnte meinen, es hat geregnet. Mit kräftigen Strahlen wird der Dreck des gestrigen Tages ins Meer geschubst. Das Meer zeigt sich großzügig und nimmt alles auf. Und die Jogger nützen die kühlen Morgenstunden. Vielleicht auch eine Art Kehraus. Träge Gedanken und düstere Phantasien werden durch Tatendrang verbannt. Ist so ein Zivilisations- oder Globalisierungsding. Könnte sein.
Der Sport ist ja nicht dem Menschen inhärent. Würde man dem Homo heuticus durch ein Firmwarereset auf die Werkseinstellungen zurückversetzen und in der Nähe eines Supermarktes aussetzen, dann würde der da einfach liegenbleiben und nur einmal am Tag die Paletten leer futtern. Aber der vom Zeitgeist getrieben junge Mann quält sich jetzt mit tausenden Gewichten und langen Läufen herum, nur um mit diesem gestählten Körper eine Frau zu finden, die den eben gleichen geschundenen Körper hat. Wenn in deinem Beuteschema jetzt ein eher zur Gemütlichkeit tendierendes Weibchen liegt, kannst du dir diese ganze Quälerei auch sparen.
Der Sport ist ja nicht dem Menschen inhärent. Würde man dem Homo heuticus durch ein Firmwarereset auf die Werkseinstellungen zurückversetzen und in der Nähe eines Supermarktes aussetzen, dann würde der da einfach liegenbleiben und nur einmal am Tag die Paletten leer futtern. Aber der vom Zeitgeist getrieben junge Mann quält sich jetzt mit tausenden Gewichten und langen Läufen herum, nur um mit diesem gestählten Körper eine Frau zu finden, die den eben gleichen geschundenen Körper hat. Wenn in deinem Beuteschema jetzt ein eher zur Gemütlichkeit tendierendes Weibchen liegt, kannst du dir diese ganze Quälerei auch sparen.
Gut, dass es morgen wieder weiter geht. Wenn man nichts tun muss bei der schwül heißen Luft, dann bleibt man besser im Schatten. Ich habe in Rovinj noch einen Fahrradladen gefunden und mit einem neuen Ersatzschlauch senkt sich das Adrenalin. Ich bin morgen noch die letzte Nacht in Kroatien und zähle noch mal meine Kunar, wie feudal ich heute essen gehen kann.
Tag 12 - nach Motovun ins Landesinnere - 31. August 2019
Die Nacht war wieder sehr heiß und so stehe ich in der Dunkelheit um 5:30 Uhr auf und baue im Licht der Stirnlampe das Zelt ab. Das erste Ziel ist die verlassene Stadt Dvigrad. Leider ist der Zugang nach innen abgesperrt. Wenn bei den Kroaten etwas abgesperrt ist, dann nicht aus versicherungstechnischen Gründen. Sondern da purzeln wohl wirklich die Steine. Mein Frühstück gibt es an einem Fjord mit schöner Aussicht.
Hat ein Fjord eigentlich Süßwasser? Die Antwort heißt bestimmt so wie immer, dass man das differenziert betrachten muss und dass es darauf ankommt. Ich weiß aber nicht worauf es ankommt und auf die ausführliche Antwort habe ich gerade keine Muse. Ich sehe eine Austernfarm und das liefert wohl die schnelle Lösung. Austern sind keine Süßspeise. Schnell weiter, die Sonne glüht schon vom blauen Himmel.
Hat ein Fjord eigentlich Süßwasser? Die Antwort heißt bestimmt so wie immer, dass man das differenziert betrachten muss und dass es darauf ankommt. Ich weiß aber nicht worauf es ankommt und auf die ausführliche Antwort habe ich gerade keine Muse. Ich sehe eine Austernfarm und das liefert wohl die schnelle Lösung. Austern sind keine Süßspeise. Schnell weiter, die Sonne glüht schon vom blauen Himmel.
Mit Telegram-Funk meldet sich mein Herr Vater. Wo ich schon in der Gegend bin, möge der Sohn nach Porec fahren zur Euphrasia Basilika, um ein Foto zu machen. Der Vater könnte ja googeln, aber Diskussionen mit Erziehungsberechtigten, also was soll ich sagen. Ich fahr da hin. Jetzt ist das Weltkulturdingens und das ist nicht so einfach. Nächste Führung 15:00 Uhr. Ich finde, die katholische Kirche könnte es mir leichter machen, um auf den rechten Weg zurück zu kommen. Ich werde einfach heute noch ein paar Kirchlein fotografieren, eine wird schon passen.
Die letzten 30km nach Motovun verlaufen auf der Parenzana. Das war mal die Strecke der italienischen Eisenbahn bis 1935 durch Istrien. Heute liegt die Strecke auch in Slowenien und größtenteils in Kroatien. Auch wenn die Strecke seit langem still gelegt ist, gibt es noch den alten Trassenverlauf, die Brücken und Tunnels. Vor 10 Jahren kam man dann auf die Idee, diese Strecke als Fahrradweg zu nutzen. Gute Idee.
Mein heutiges Ziel ist Motovun, ein Bergnest im Landesinneren. Es gibt einen kleinen Zeltplatz, der genau zwei winzige Flecken hat, die nicht total abschüssig sind. Er ist derart teuer, dass er wirklich meine letzten Kuna braucht. Ich war dann noch Abendessen einkaufen in einem kleinen Laden und habe zum ersten Mal in meinem Leben das mit EC-Karte bezahlt. Dafür gibt es sogar einen Kühlschrank auf dem Camp, der mein Pivo für den Abend kalt hält. In den eigentlichen Ort darfst du nicht mit dem Auto. Es gibt einen Shuttle, oder zu Fuß, oder godfather of E-Bike stürmt die Festung, wie Puttel aus der Asche.
Heute war anstrengend. Nicht so die 100 Kilometer, aber diese Hitze macht einen hohl im Denkgewölbe. Ich sitze unter einem Kakibaum mit Tisch und Stuhl und hohl mir jetzt mein Bier aus dem Kühlschrank.